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Nicht nur in der Diaspora lebende Inder sitzen wie gebannt vor dem Fernsehschirm, sondern auch immer mehr Deutsche, jung wie alt, begeistern sich für diese Filme aus Bombay, dem ‚Hollywood Indiens’ - im Volksmund ‚Bollywood’ genannt.

 

Mit der weltweit größten Anzahl an Filmen pro Jahr produziert Bombay – heute in Mumbai umbenannt – in seiner Traumfabrik bewegende Geschichten in opulenten, farbenprächtigen Szenen, erzählt mit Humor, mit Emotion, voller Komik, voll von ergreifenden tragischen Momenten oder auch überschwänglichem Glück.

 

Das Genre beinhaltet sowohl die Tanz- und Gesangs-Intermezzos von Operetten oder Musicals à la Hollywood als auch sozialkritische Elemente: über die Konflikte zwischen Liebespaaren und ihren treusorgenden Eltern, die für sie den Ehepartner aussuchen wollen; über den Konflikt zwischen der Ehre als Mann und den Ansprüchen seines Herzens. Zwischendurch wird die Politik in die Zange genommen, während der Komiker – oft eine Art Hans-Wurst Figur – dazu humoristische, burleske Einlagen liefert. Genauso wie Hanuman - der Affengott im hinduistischen Götterreigen - in der uralten Tanztheater-Kunst Indiens, ‚Kathakali’ genannt, einst diese Rolle inne hatte.

 

Man glaubte den Verbrauchergeschmack zu kennen, die Gewohnheit, sich einen kurzen, knappen Fernsehfilm binnen höchstens 90 Minuten ‚reinzuziehen’, zwischen Nachrichten, Werbung und Zapfenstreich. Nun auf einmal versammelt sich seltsamerweise wieder die ganze Familie, Generationen übergreifend vor dem Bildschirm, vom 8-jährigen bis hin zu Oma und Opa – bewaffnet mit Papiertaschentüchern – und schaut sich über drei Stunden hinweg einen solchen Monumentalfilm aus Bollywood an. Wer hätte hierzulande mit einem solchen Phänomen, das Generationen zusammenschließt, noch gerechnet?

 

Dieser vielleicht nicht gänzlich realistische ‚Kitsch’ kommt sehr gut an, dringt unmittelbar in die Herzen. Nicht zuletzt, weil die vor einer exotischen Kulisse entwickelten Tanz- und Gesangssequenzen nur so vor Lebenslust und Sinnlichkeit sprühen. 

 

Die traditionellen, klassischen, indischen Tempel-Tanzformen wie z.B. Kathak oder Bharatanatyam liefern die Symbolsprache der Hände, mit der die Lyrik bzw. Liedtexte ‚übersetzt’ werden. Die teilweise virtuose Fußarbeit und die Akzentsetzung mit Kopf, Augen und Händen geben einen ansteckenden Rhythmus wieder. Die Beinarbeit und die Choreographie reflektieren die Vielfalt an Einflüssen anderer Tanzarten; nicht nur die der Volkstänze wie z.B. Bhangra, Raas oder Garba, sondern auch Elemente zeitgenössischer Tanzstile aus dem Westen wie Hip-Hop, Jazz Dance, Modern Dance sowie orientalische Tanzformen des benachbarten Pakistan, Afghanistan oder Persien. Alles wird gekonnt zu einer Melange verrührt, man könnte fast sagen, zu einer Art würzigem peppigen ‚Chutney’ .
Die Männer bewegen sich mit Eleganz und Vitalität, die Frauen sowohl keck als auch anmutig im ewigen Pas de Deux der Straßen und Gassen dieser Welt.
Mit virtuoser Kompetenz am  Studio-Mischpult geschnitten, entsteht so etwas wie ein grandioser Video-Clip, der selbst MTV-Verfechter vor Neid erblassen lassen müsste...